In meinen Artikeln "Mobil trotz Blindheit das ist der Trick" und "Mobil trotz Blindheit, Orientierungshilfen die jeder kennt" hatte ich in der Einleitung geschrieben, dass unsere Welt zum Großteil auf sehende Orientierung ausgerichtet ist. Weiterhin hatte ich in diesen beschrieben, wie es für Blinde wie mich trotzdem möglich ist stets selbstständig zum gewünschten Ziel zu gelangen. Nichts desto trotz ist es immer wieder angenehm mit sehenden Freunden oder Familienmitgliedern unterwegs zu sein.

In diesem Artikel möchte ich genauer darauf eingehen, worauf Begleiter achten sollten, um den gemeinsamen Ausflug angenehm für beide zu gestalten.

Wie führt man Blinde richtig?

Die Grundhaltung

Das Führen eines Blinden ist nicht schwierig. Man benötigt dafür weder einen Lehrgang noch jahrelange Übung. Um einen Blinden zu führen muss man nichts in seiner normalen Bewegung verändern. Der Blinde "hackt" sich einfach beim Begleiter ein - er umfasst also den Oberarm der Begleitung und schon kann es los gehen. Ob dies die rechte Hand am linken Oberarm oder die linke Hand am rechten Oberarm ist, ist dabei frei der Situation überlassen - nur bei links-links und rechts-rechts muss man sich auf Probleme einstellen 😉

Ich bin häufig mit einem deutlich kleineren Freund unterwegs. Bei ihm lege ich meine Hand aus Bequemlichkeitsgründen auf die Schulter. Die Position ändert nichts an der Art des Führens, die Haltung ist allerdings deutlich entspannter und angenehmer für uns beide.

Der Blinde befindet sich nun knapp einen halben Schritt schräg hinter seiner sehenden Begleitung und kann so sicher folgen, der Begleiter muss lediglich auf einen freien Weg neben sich achten. In dieser Position ist es einfach möglich, dass sich beide in normaler Laufgeschwindigkeit bewegen können, ohne dass einer der beiden eine verkrampfte und unangenehme Haltung annimmt. Durch den halben Schritt Abstand ist es für den Blinden kein Problem rechtzeitig zu reagieren, wenn seine Begleitung eine Richtungsänderung vornimmt, etwas umgeht oder stehen bleibt.

Wenn es einmal eng wird

Enge Stellen, wie Türrahmen oder Hindernisse wie man sie in Kaufhäusern oft findet sind eine spezielle Situation. Hier passen Begleitung und Blinder meist nicht nebeneinander hindurch. Für den Blinden werden diese Stellen allerdings schnell erkennbar. Die sehende Person verändert teils unbewusst seine Position etwas und so kann der Blinde auch entsprechend reagieren. Eine geübtere Begleitung weiß das und dreht den Oberkörper absichtlich etwas ein, um den Blinden ganz ohne weitere Erklärung stärker hinter sich führen zu können.

Das Auf und Ab im Leben

Kommen wir zur letzten Besonderheit beim Laufen, die Treppen. Wenn gemeinsam eine Treppe herauf oder herunter gelaufen werden muss, werden manche Begleiter unruhig. Es ist nicht notwendig, dem Blinden genau mitzuteilen wie viele Stufen die Treppe hat. Wortlos eine Treppe entlang zu stürmen kann aber auch zu einem Problem werden.

Es ist von Vorteil, wenn der Begleiter dem Blinden kurz vor der ersten Treppenstufe ankündigt, ob es auf- oder abwärts geht. Auch hier ist wieder die Führhaltung von Vorteil, denn gerade im Falle von Treppenstufen oder Bordsteinen kann der Blinde anhand der Bewegung des Sehenden erkennen, wie hoch jede einzelne Stufe ist und wie weit diese auseinander liegen.

Anders als viele vielleicht denken mögen, ist vor allem die letzte Stufe ein trickreiches Problem. Die auf einmal ausbleibende neue Stufe kommt überraschend und die Situation wird von dem wieder schneller werdenden Begleiter auch noch gemildert.

Ein Begleiter kann völlig wortlos das Treppenlaufen vereinfachen. Ein kurzes spürbares aber für Außenstehende nicht weiter wahrnehmbares Anhalten zu Beginn und Ende der Treppe reicht als kleiner Hinweis völlig, auf diesem Wege ist überhaupt kein Hinweis oder ähnliches nötig.

Wie hilft man einem Blinden beim gemeinsamen Essen?

Nachdem man dank der oben erwähnten Tipps ohne Probleme am Ziel angekommen ist gibt es dort vielleicht etwas zu essen... für mich immer ein guter Motivator um das Haus zu verlassen. 😃 Auch hier muss man sich keine Sorgen machen. Wir essen unsere Mahlzeiten wie jeder andere Mensch mit Messer, Gabel oder Löffel - je nachdem was passt - und das mehrmals täglich. Hilfe brauchen wir nur gelegentlich bei zwei Dingen, der Beschaffung und der Aufteilung auf dem Teller.

Im Restaurant

Der normale Ablauf in einem Restaurant ist eigentlich recht einfach. Die Begleitung zeigt dem Blinden durch Hand auf die Rückenlehne legen einen freien Stuhl bevor sich beide setzen, warten, bestelln, warten, essen, warten, bezahln, warten und gehen. Damit man bei der Bestellung auch mal ein anderes Gericht probieren kann gibt es die Speisekarte, welche dem Blinden leider wenig bringt. Der Blinde braucht sich dabei nicht zu scheuen den Kellner um eine Empfehlung zu bitten, eine Begleitung kann aber ebenso mit einem Blick in die Karte weiterhelfen. Nebenbei gesagt, da der Blinde nicht zum ersten mal und völlig zufällig ein Restaurant betritt besteht die Möglichkeit, dass dieser sich bereits vorab online aus der Speisekarte etwas ausgesucht hat... 😉

Am Buffet

In Frühstücksrestaurants werden Buffets immer beliebter. Leider sind diese für Blinde nicht wirklich nutzbar. Eine Übersicht kann sich der Blinde hier nur schlecht verschaffen und einen Fingerabdruck im Honigglas ist auch nicht schön.

Das bedeutet aber nicht, dass ihr Buffets bei der Planung eines gemeinsamen Frühstück meiden müsst. Wenn ihr es optimal machen wollt, dann geht einfach gemeinsam zu dem Buffet und beschreibt kurz was zur Auswahl steht. So könnt ihr euch gleichzeitig entscheiden was ihr essen wollt. Hierbei ist darauf zu achten, die angebotenen Lebensmittel genau zu beschreiben. Marmelade klingt erst einmal gut aber auf das sich dann ertappte Pflaumenmus hatte ich eigentlich keinen Hunger. Der Begleiter sollte darauf achten auch Dinge zu erwähnen, die er selbst nicht essen wird. Der Tee-Fanatiker sollte den Kaffee Junkies eine Chance geben.

An so einem Buffet füllt sich der Teller schnell. Ihr solltet darauf achten, dass die Teller nicht zu voll werden, schließlich muss der Teller noch mit seinem kompletten Inhalt möglichst gerade und ruhig zum Tisch gebracht werden. Dies ist für Blinde mitunter nicht ganz so einfach wie für Sehende.

Tellerbeschreibung

Egal ob im Restaurant, nach der Buffet-Wanderung oder beim Sonntagsessen Zuhause, nachdem ein Blinder sein Essen vor sich stehen hat könnte es im Prinzip losgehen, wäre da nicht die Frage nach dem "Wo?". Je nachdem was sich auf dem Teller befindet, kann allerdings eine kurze Tellerbeschreibung sinnvoll sein. Es ist für den Blinden durchaus erleichternd bereits zu wissen, wo sich die einzelnen Komponenten des Essens befinden.

Eine solche Tellerbeschreibung könnte beispielsweise folgendermaßen klingen: "Das Pflaumenmus ist auf 2 Uhr, die Butter auf 11 Uhr, zwischen 4 und 7 liegen die Brötchen." Wie jeder sicher bereits verstanden hat wird hier mit Positionen der Stundenzahlen auf einem klassischen Uhrziffernblatt gearbeitet. Ein paar einfachere Hinweise mit links-oben-daneben Angaben gingen sicher auch, die Ziffernblatt Methode hat sich wegen ihrer feineren Einteilung allerdings bewährt.

Auf Dinge neben dem Teller, beispielsweise eine Salatschale oder das Weinglas, sollten bei dieser Gelegenheit auch hingewiesen werden.

In diesem Artikel bin ich nur auf die für mich beiden wichtigsten Themen eingegangen. Sicher gibt es noch die ein oder andere Besonderheit die es zu beachten gibt. Ich hoffe jedoch, dass ich jedem Begleiter die Unsicherheit zu diesem Thema nehmen konnte und dass ich Begleitern wie auch Blinden ein paar neue Ideen mit auf den Weg geben konnte. Solltest Du einen weiteren wichtigen Tipp oder ein wichtiges Problem in diesem Artikel missen oder solltest Du weitere Fragen haben, hinterlasse mir einen Kommentar!

Kommentare  

Hi Jana, Steffi und Katharina,
es freut mich das euch mein Artikel gefallen und neue Erkenntnisse gebracht hat.
LG
Stephan
Hi Manuel,
cool das du schon einmal ein Dinner in the Dark gemacht hast.
Wie fandest du es?
Ja die beiden haben schon völlig Recht, häufig bieten Leute ihre Hilfe an und verwirren uns nur mehr als das sie helfen.
Ich hoffe das Du nun nicht mehr zu diesen Personen zählst;-)
LG
Stephan
Super Einblick, wie immer. Ich finde es gut, besser darüber Bescheid zu wissen. Ich habe im persönlichen Umfeld keine blinden Menschen, aber wer weiss wan man Deine Tipps mal gebrauchen kann - und dann ist es gut sie zu haben.
Huhu,

das waren jetzt wirklich einige gute Tipps. Mit dem Thema habe ich mich noch nie auseinandergesetzt, daher waren alle Aspekte für mich neu.

Ich glaube, wenn man nicht genau weiß was man beachten muss, dann kann man auch viel falsch machen bzw. Die Situation schwieriger machen.

LG
Steffi
Ich muss zugeben, dass ich noch nicht oft mit blinden Menschen zu tun hatte. Aber ich habe mich schon immer gefragt, wie sie sich allein orientieren können. An der Uni gab es damals eine blinde Studentin, die aus der Bahn ausstieg und ihren Weg fand, zurück auch. Ich glaube, ich würde mich das gar nicht trauen. Auf jeden Fall fand ich deine Ausführungen sehr interessant, an manche Details hätte ich gar nicht allein gedacht!

Liebe Grüße
Jana
Ein sehr spannendes Thema und super zusammengetragen. Ich hatte mal eine Unterhaltung mit 2 blinden Damen, nachdem wir in einem Dinner in the Dark Restaurant waren und die erzählten mir, dass die Hilfe oft für mehr Probleme sorgt, da zwar gut gemeint, aber nicht gut ausgeführt.
Hallo Kai,
super das ich dir durch diesen Artikel noch einige Hinweiße für den Urlaub geben konnte;-)
Hallo Gabriele,
es freut mich das dir mein Artikel gefallen hat.
Ich habe den Artikel um die Info wie die Begleitung bei der Stuhl suche helfen kann erweitert.
Danke für die Anmerkung!
Gabriele Bender
sehr präziser und guter Artikel. Ich konnte ihn als Betroffene selber gut nachvollziehen. Zu ergänzen wäre evtl. noch, dass man einem Blinden, in dem man seine Hand auf die Stuhllehne legt, einen Stuhl im Restaurant zeigen kann.
Gut zu wissen, für den Urlaub

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