Alma ist weit mehr als nur ein Hund! Sie ist meine Augen im Alltag, meine treue Begleiterin und ein unverzichtbarer Teil meines Lebens. Als Blindenführhund übernimmt sie täglich anspruchsvolle Aufgaben, die sowohl körperlich als auch geistig fordernd sind. Doch diese Arbeit hinterlässt Spuren und vor etwa einem Jahr bemerkte ich erste Veränderungen: Alma wirkte steif beim Aufstehen, ihr Gang war unrund und nach längeren Führarbeiten schonte sie ihr rechtes Hinterbein. Es war klar, dass ich handeln musste – nicht nur, um ihre Beschwerden zu lindern, sondern auch, um ihr die Lebensqualität zurückzugeben, die sie verdient. Welche Maßnahmen ich getroffen habe, wie Physiotherapie unser Leben verändert hat und welche Tipps ich anderen Haltern mitgeben kann, erfährst du in diesem Beitrag.

Die unsichtbare Last eines Blindenführhundes

Blindenführhunde wie Alma leisten Außergewöhnliches. Sie navigieren Blinde wie mich durch belebte Straßen, achten auf Hindernisse, ermöglichen uns das sichere Überqueren von Straßen und bewältigen komplexe Situationen, die ein hohes Maß an Konzentration und körperlicher Fitness erfordern. Doch dabei tragen sie auch eine unsichtbare Last. Die wiederholte Bewegung, das Führen und das Tragen des Führgeschirrs stellen eine konstante Belastung dar – besonders für den Rücken und die Gelenke. Das bleibt auf lange Sicht nicht folgenlos.

Alma liebt ihre Arbeit

Sie ist mit Begeisterung dabei, was man an ihrer Körperhaltung und ihrem stets freudigen Schwanzwedeln erkennt. Doch als ich bemerkte, dass sie nach längeren Einsätzen häufiger ihr rechtes Hinterbein schonte oder sogar humpelte, zögerte ich nicht, genauer hinzusehen. Meine Erfahrungen mit Denny, meinem ersten Blindenführhund, haben mich hierbei besonders sensibilisiert. Bei ihm zeigten sich im Alter ebenfalls Rückenprobleme. Schließlich wollte er irgendwann sein Führgeschirr nur ungern tragen. Diese Erkenntnisse waren ausschlaggebend dafür, dass ich bei Alma von Anfang an auf ergonomische Führgeschirre gesetzt habe.

Der Wert ergonomischer Führgeschirre

Wie bereits zuvor geschrieben hat Alma kein klassisches Führgeschirr. Bereits während der Ausbildung setzten ihre Trainer auf das ergonomische Führgeschirr von Ruffwear. . Es verteilt die Last gleichmäßiger und entlastet den Rücken im Vergleich zu klassischen Modellen. Etwa ein halbes Jahr nachdem Alma bei mir eingezogen war, erweiterte ich unsere Ausstattung um ein alternatives ergonomisches Geschirr von 3dbenefit. , das speziell für Alma und mich angefertigt wurde. Obwohl beide Geschirre erheblich besser sind als herkömmliche Varianten, musste ich lernen, dass sie allein keine Garantie dafür sind, langfristige Belastungen zu vermeiden. Bei einer Untersuchung durch eine Physiotherapeutin wurde mir empfohlen, die Geschirre regelmäßig zu wechseln, um unterschiedliche Muskelpartien zu beanspruchen und so Überbelastungen vorzubeugen. Diese Erkenntnis hat mich zwar zunächst enttäuscht, die Physiotherapeutin erklärte mir aber auch, dass ich Alma durch meine bewusste Wahl der Geschirre bereits eine große Hilfe verschaft habe.

Wo kommen Almas Probleme her?

Nach einer gründlichen Untersuchung durch den Tierarzt wurde klar, dass Almas Rückenmuskulatur durch die Führarbeit überstrapaziert und der Gastrocnemius im rechten Hinterbein entzündet ist. Der Arzt empfahl mir Physiotherapie, ein Vorschlag, den ich zunächst mit gemischten Gefühlen aufnahm. Wie würde Alma auf die Behandlungen reagieren? Würde es ihr helfen? Das waren nur zwei der zahlreichen Fragen die ich mir gestellt hatte. Doch letztlich war mir eines klar: Ihre Gesundheit hat oberste Priorität! Und falls die Physiotherapie keine Verbesserung bringen sollte oder sie sich unwohl dabei fühlt, ist nichts verloren und ich kann nach allternativen Behandlungsmöglichkeiten Ausschau halten.

Wie kann die Rückenmuskulatur überstrapaziert werden?

Die Arbeit eines Blindenführhundes ist körperlich anspruchsvoller, als es auf den ersten Blick erscheint. Während Alma mich durch den Alltag navigiert, trägt sie nicht nur ein Führgeschirr, sondern arbeitet aktiv mit ihrem Körper, um Hindernisse anzuzeigen und zu umgehen, Richtungen zu wechseln oder beim Überqueren von Straßen gezielt voranzugehen. All diese Aufgaben erfordern eine permanente Anspannung der Rückenmuskulatur. Besonders das Tragen und Ziehen des Führgeschirrs belastet die Muskulatur. Die gleichmäßige Spannung, die Alma auf das Geschirr ausüben muss, um präzise zu führen, beansprucht vor allem die langen Rückenstrecker, eine Muskelgruppe entlang der Wirbelsäule, die für Stabilität und Bewegung verantwortlich ist. Hinzu kommt, dass Führhunde oft abrupt anhalten oder beschleunigen müssen, etwa wenn sie ein Hindernis anzeigen oder schnell auf eine Situation reagieren. Diese plötzlichen Bewegungen verstärken die Belastung zusätzlich. Ein weiterer Faktor ist die monotone Beanspruchung durch wiederholte Bewegungen. Alma läuft beim Führen oft in derselben Haltung und mit einem gleichmäßigen Bewegungsablauf. Dadurch werden immer dieselben Muskelgruppen beansprucht, während andere Bereiche weniger genutzt werden. Mit der Zeit kann das zu Verspannungen oder gar Entzündungen in den überarbeiteten Muskeln führen.

Zusätzlich ist die Psyche nicht zu unterschätzen: Führhunde sind während ihrer Arbeit hoch konzentriert, was nicht nur geistig anstrengend ist, sondern auch körperliche Anspannung verursacht. Selbst wenn Alma gerne arbeitet, hinterlässt diese Kombination aus geistiger und körperlicher Belastung mit der Zeit Spuren.

Was ist der Gastrocnemius?

Der Gastrocnemius ist einer der Hauptmuskeln in der Wade. Er ist verantwortlich für die Streckung des Sprunggelenks (zum Beispiel beim Laufen, beim Treppe gehen oder beim Ampel anspringen) und spielt eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung der Hinterbeine. Bei Hunden wie Alma, die durch ihre Führarbeit körperlich stark beansprucht werden, kann dieser Muskel durch ständige Belastung überreizt oder sogar entzündet werden. Dies führt zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, die den Alltag sowohl für den Hund als auch für den Halter erschweren können.

Was ist Physiotherapie für Hunde?

Die Physiotherapie für Hunde ist eine spezialisierte Behandlungsmethode, die darauf abzielt, die Mobilität, Beweglichkeit und Lebensqualität unserer tierischen Begleiter zu verbessern. Sie wird häufig bei akuten Verletzungen, chronischen Erkrankungen wie Arthrose oder zur Unterstützung der Regeneration nach Operationen eingesetzt. Doch auch präventiv kann sie helfen, den Körper gesund zu halten und Überbelastungen vorzubeugen.

1. Massagen und Akupressur

Massagen sind eine der zentralen Methoden in der Hundephysiotherapie. Sie helfen nicht nur, Verspannungen zu lösen, sondern fördern auch die Durchblutung und unterstützen die Regeneration überbeanspruchter Muskelgruppen. Almas Therapeutin beginnt jede Sitzung mit gezielten Massagen, um Verspannungen zu lösen und Almas Körper „aufzuwärmen“. Besonders die Akupressur ist dabei hilfreich, da durch gezielte Druckeinwirkung die Heilung gefördert und Schmerzen gelindert werden.

2. Dehnübungen

Dehnübungen sind ein essenzieller Bestandteil, um die Beweglichkeit der Gelenke zu fördern und Versteifungen vorzubeugen. Bei Alma werden diese Übungen oft spielerisch integriert, sodass sie entspannt bleibt. Ein Beispiel ist das gezielte Strecken der Hinterbeine, das nicht nur die Muskeln lockert, sondern auch die Bewegungskoordination stärkt.

3. Gerätetraining

Das Gerätetraining in der Physiotherapie ist äußerst vielseitig. Alma ist regelmäßig auf dem Trampolin. Hier muss sie mit kleinen Ausgleichsbewegungen die Balance halten, was die Tiefenmuskulatur stärkt und gleichzeitig die Gelenke schont. Außerdem findet sich Alma regelmäßig auf dem Unterwasserlaufband mit Gegenströmanlage. Das Wasser reduziert das Körpergewicht, was die Gelenke entlastet. Gleichzeitig bietet der Widerstand des Wassers ein effektives Training für die Muskulatur. Diese Übung stärkt nicht nur Almas Beine, sondern auch ihren Rücken, ohne sie dabei zu überfordern.

4. Akupunktur

Als ergänzende Methode wird bei Alma gelegentlich Akupunktur eingesetzt. Diese Technik regt die Selbstheilungskräfte des Körpers an, lindert Schmerzen und fördert das allgemeine Wohlbefinden. Anfangs war ich skeptisch, ob sie die feinen Nadeln tolerieren würde, doch Alma bleibt erstaunlich ruhig und entspannt während der Sitzungen.

5. Lasertherapie

Eine weitere sanfte und zugleich effektive Methode ist die Lasertherapie. Dabei wird mithilfe von gebündeltem Licht gezielt Gewebe stimuliert, was die Zellregeneration anregt, Entzündungen hemmt und Schmerzen lindert. Gerade bei muskulären Problemen oder gereizten Sehnen wie dem Gastrocnemius kann diese Therapie unterstützend wirken. Auch Alma profitiert regelmäßig von kurzen Lasersitzungen, die sie völlig entspannt über sich ergehen lässt. Die Schutzbrille die sie dabei tragen muss stört sie überhaupt nicht.

6. Stoßwellentherapie

Die Stoßwellentherapie ist eine eher intensivere Maßnahme, bei der hochenergetische Schallwellen gezielt auf bestimmte Körperbereiche gerichtet werden. Diese können verklebte Faszien lösen, die Durchblutung anregen und die Heilung von Sehnen- oder Muskelreizungen fördern. Bei Alma kommt diese Therapie punktuell zum Einsatz, vor allem wenn tiefsitzende Verspannungen oder chronische Reizungen behandelt werden sollen.

7. Elektrotherapie

Ein weiteres spannendes Element ist die Elektrotherapie, bei der sanfte elektrische Impulse durch spezielle Elektroden abgegeben werden. Diese Methode wird genutzt, um die Durchblutung zu fördern und die Muskelregeneration zu beschleunigen.

8. Wärme- und Kältetherapie

Je nach Bedarf kommt bei Alma auch Wärme- oder Kältetherapie zum Einsatz. Warme Kompressen werden auf verspannte Muskelpartien gelegt, um die Durchblutung zu fördern und Schmerzen zu lindern. Kältebehandlungen hingegen helfen bei akuten Entzündungen, wie es bei ihrem Gastrocnemius der Fall war. Anfangs war ich auch hier skeptisch, doch Alma toleriert die Behandlung erstaunlich gut.

Jede Sitzung wird individuell an ihre Bedürfnisse angepasst. Es beeindruckt mich immer wieder, wie freudig sie zur Physiotherapie geht und geduldig und konzentriert bei den Übungen mitmacht – ein weiteres Beispiel für ihre unglaubliche Arbeitsbereitschaft.

Erste Fortschritte

Die ersten Fortschritte ließen nicht lange auf sich warten: Bereits nach wenigen Sitzungen konnte ich beobachten, wie Almas Bewegungen flüssiger wurden. Sie wirkt entspannter und das humpeln wurde seltener. Auch zu Hause unterstütze ich Alma, so gut ich kann. Neben dem regelmäßigen Wechsel zwischen den beiden Führgeschirren hat sie ein neues, gelenkschonendes Hundebett bekommen. Darüber hinaus integriere ich sanfte Massagen und Dehnübungen in unseren Alltag und plane bei längeren Führarbeiten bewusst mehr Pausen ein.

Prävention

Eine Botschaft an alle Hundebesitzer: Die Erfahrungen mit Almas Physiotherapie haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, auf die Signale unserer Hunde zu achten. Besonders bei Hunden, die wie Führhunde täglich Großartiges leisten, ist präventive Gesundheitsvorsorge entscheidend. Physiotherapie ist nicht nur für Hunde mit akuten Problemen sinnvoll. Ich möchte andere Hundebesitzer ermutigen, ihre Hunde genau zu beobachten und bei den ersten Anzeichen von Unwohlsein professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Unsere Hunde sind jeden Tag für uns da, es liegt an uns, auch für sie da zu sein!

Hast du selbst Erfahrungen mit Physiotherapie für Hunde gemacht oder überlegst, sie auszuprobieren? Ich freue mich auf deinen Kommentar und bin gespannt auf deine Gedanken!

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