Nach meinem Unfall im Jahr 2006 änderte sich mein komplettes Leben schlagartig. Durch dieses Ereignis verlor ich nicht nur mein Augenlicht, ich musste mein Leben auch komplett neu ausrichten. Bis dahin hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, was es bedeutet, blind zu sein. Doch plötzlich stand ich vor der Herausforderung, meinen Alltag und meine Zukunft völlig neu zu gestalten. Es war eine Zeit voller Fragen, aber auch voller neuer Möglichkeiten und wertvoller Begegnungen. Am heutigen 14. März 2025 jährt sich ein entscheidender Wendepunkt in meinem Leben - und das bereits zum 17. Mal. Dieses Datum markierte den Start meines Weges zur beruflichen Neuorientierung. Warum ich diese im Berufsförderungswerk Würzburg (BFW) gemacht habe und was ich hier alles erlernen durfte verrate ich in diesem Beitrag.

Nach gründlicher Abwägung verschiedener Optionen – wie etwa spezialisierte Einzelschulungen oder Selbstlernprogramme – entschied ich mich bewusst für ein Berufsförderungswerk. Diese bieten die optimale Kombination aus praxisnaher Ausbildung, individueller Unterstützung und dem zeitgleichen Austausch mit Selbstbetroffenen. Viele Menschen besuchen ein BFW aus ähnlichen Gründen: Sei es aufgrund von Krankheiten, die eine berufliche Neuorientierung erforderlich machen oder von körperlichen und visuellen Beeinträchtigungen, die eine angepasste Ausbildung verlangen. Berufsförderungswerke gibt es etliche in Deutschland, doch speziell für Blinde und Sehbehinderte nur wenige. Obwohl das BFW Halle näher zu meiner Heimat Nurzen ist, entschied ich mich nach einem Vororttermin in beiden für das BFW Würzburg . Mit einer der Gründe war dass mir die Stadt und Gegend sehr gut gefallen hat, wovon ich euch bereits in meinen entsprechenden Beitrag berichtet hatte.

Kostenträger und finanzielle Unterstützung

Ein wichtiger Aspekt im voraus meiner Zeit im Berufsförderungswerk Würzburg war die Finanzierung der Maßnahmen. Die Kosten für die Programme und Ausbildungen können durch verschiedene Kostenträger übernommen werden. In meinem Fall war dies die Deutsche Rentenversicherung, da ich vor dem Unfall berufstätig war und einen gültigen Arbeitsvertrag hatte. Auch Institutionen wie das Integrationsamt oder die Agentur für Arbeit können solche Maßnahmen finanziell unterstützen. Es ist essenziell, sich frühzeitig über die verfügbaren Fördermöglichkeiten zu informieren, um die nötige Unterstützung zu bekommen. Nachdem dieser Punkt geklärt war stand meiner Anpassung an meine neue Lebenssituation und beruflicher Neuorientierung nichts im Weg.

Wohnen im BFW: Komfortabel und gut ausgestattet

Während meiner Zeit im BFW Würzburg hatte ich die Möglichkeit, entweder eine eigene Wohnung in der Nähe zu mieten oder direkt im BFW zu wohnen. Ich entschied mich bewusst für das Wohnen im BFW, da es mir zahlreiche Vorteile bot. Neben der kurzen Distanz zu den Schulungsräumen konnte ich die vielfältigen Freizeiteinrichtungen des BFW unkompliziert nutzen. Damals standen mehrere Fitnessräume, eine Kegelbahn, eine Sauna, eine Laufbahn und noch ein Schwimmbad zur Verfügung, was mir eine optimale Möglichkeit bot, mich außerhalb der Unterrichtszeiten aktiv zu betätigen und neue Kontakte zu knüpfen.

Mein Zimmer war zwar nicht besonders groß, aber dennoch clever eingerichtet und völlig ausreichend. Trotz der kompakten Größe war genügend Stauraum vorhanden: Ein großer Kleiderschrank, eine Garderobe sowie zwei weitere Schränke boten genug Platz für meine Kleidung und persönlichen Gegenstände. Zusätzlich verfügte das Zimmer über ein Bett, einen Schreibtisch und sogar einen kleinen Kühlschrank, was den Komfort deutlich erhöhte. Besonders angenehm war das eigene kleine Badezimmer mit Dusche, das mir Privatsphäre und Unabhängigkeit gewährte. Gut, eine eigene Küche gab es in den Zimmern nicht, stattdessen gab es eine Gemeinschaftsküche, die alle Bewohner nutzen konnten.

Allerdings hatte ich keinen großen Bedarf, diese zu verwenden, da das Essen im Speisesaal des BFW sehr gut war. Dort wurden täglich Frühstück, Mittagessen und Abendessen angeboten, sodass ich mich nicht selbst um die Verpflegung kümmern musste. Das erleichterte meinen Alltag enorm und ließ mir mehr Zeit, mich auf meine Ausbildung und die neuen Herausforderungen zu konzentrieren.

Blindentechnische Grundrehabilitation: Der Anfang einer neuen Perspektive

Die erste Etappe meiner Reise im BFW war die blindentechnische Grundrehabilitation (BTG). Dieses intensive Programm war für mich der Einstieg in ein neues Leben.

Ich lernte die Brailleschrift, was mir den Zugang zu Informationen ermöglichte. Ein besonderer Moment war, als ich zum ersten Mal selbstständig eine Speisekarte in Braille lesen konnte. Das gab mir das Gefühl, wieder die Kontrolle über mein selbstständiges Leben zu übernehmen. Zusätzlich lernte ich den Umgang mit verschiedenen Hilfsmitteln, die meinen Alltag erleichtern sollten. Besonders das Orientierungs- und Mobilitätstraining, bei dem ich lernte, mich sicher mit dem Blindenstock in unbekannter Umgebung zu bewegen, gab mir ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit zurück.

Auch der Umgang mit einem Screenreader und Braillezeile am Computer öffnete mir wieder den Zugang zur digitalen Welt – ein wichtiger Aspekt sowohl im Alltag als auch beruflich.

Ein weiterer zentraler Punkt war der Unterricht in lebenspraktischen Fähigkeiten. Von alltäglichen Aufgaben wie Kochen bis hin zum annähen von losen Hemdknöpfen – all dies war Teil eines umfassenden Trainings, das mir half, meine Selbstständigkeit zurückzuerlangen.

Die Ausbilder im BFW beeindruckten mich mit ihrer Geduld und Professionalität. Ein Beispiel dafür war ein Ausbilder, der mir half, wieder selbstständig Handwerklich zu arbeiten. Er erklärte und übte mit mir wie es unter anderem möglich ist alleine an der gewünschten Stelle Nägel in Wände einzuschlagen oder Löcher für Schrauben mit Dübeln zu bohren.

Die Wahl der Ausbildung und der richtige Beruf für die Zukunft

Während der BTG machte ich mir Gedanken über meine berufliche Zukunft. Das BFW Würzburg bietet zahlreiche Ausbildungsmöglichkeiten, die auch für Menschen mit Sehbehinderung zugänglich sind, wie:

  • Bürokaufmann
  • Industriekaufmann
  • Fachinformatiker (Anwendungsentwicklung oder Systemintegration)
  • Mediengestalter Digital und Print
  • Verwaltungsfachangestellter
  • Kaufmann im Gesundheitswesen
  • Steuerfachangestellter
  • Sozialversicherungsfachangestellter
  • Telekommunikationsoperator

Ich entschied mich schließlich für die Ausbildung zum Informatikkaufmann, da die Kombination aus kaufmännischen und technischen Inhalten genau meinen Interessen entsprach. Ein besonders einprägsames Projekt war die Erstellung eines IT-Lösungskonzepts für ein fiktives Unternehmen, bei dem ich sowohl technisches als auch betriebswirtschaftliches Wissen anwenden musste. Dieses Projekt half mir, neben einem Verständnis für die IT-Welt, auch Kaufmännische Entscheidungen zu entwickeln und zeigte mir, dass ich trotz meiner Sehbehinderung einen wertvollen Beitrag leisten kann.

Unterstützung und Gemeinschaft: Der Weg zum Erfolg

Eine der größten Stärken des BFW war die Gemeinschaft. Meine Mitstreiter und ich halfen uns gegenseitig und dieser Austausch von Erfahrungen stärkte mein Selbstvertrauen enorm. Besonders der regelmäßige Austausch in unserer Lerngruppe war eine wertvolle Unterstützung, bei dem wir uns gegenseitig bei schwierigen Themen halfen und Fortschritte teilten.

Die Kontakte, die ich während meiner Zeit im BFW knüpfte, sind bis heute eine wichtige Ressource. Die Freundschaften, die ich dort geschlossen habe, helfen mir sowohl beruflich als auch privat. Wir unterstützen uns noch immer bei Herausforderungen und tauschen Informationen über neue technologische Entwicklungen aus.

Fazit: Ein Sprungbrett in die Zukunft

Meine Zeit im Berufsförderungswerk Würzburg war mehr als nur eine Ausbildung. Sie war eine bedeutende Erfahrung, die mein Leben in vielerlei Hinsicht bereichert hat. Die Fähigkeiten und das Selbstvertrauen, die ich dort erworben habe, begleiten mich weiterhin auf meinem Weg. Rückblickend sehe ich diese Zeit als Sprungbrett in ein erfolgreiches und erfüllendes Leben.

Kommentare  
Es ist wirklich gut zu wissen, dass es solche Einrichtungen gibt! Man weiß ja nie, wie einem das Schicksal in die Karten spielt! Und wenn man plötzlich Hilfe braucht, sollte die auch direkt verfügbar sein! Danke für die interessante Vorstellung des Bfws!

LG Aimee
Hallo Aimee,
vielen Dank für deine freundlichen Worte!
Es freut mich sehr, dass mein Bericht dir zeigt, wie wichtig und wertvoll solche Einrichtungen wie das BFW Würzburg sind.
Ja, das Leben kann manchmal unerwartete Wendungen nehmen und es ist beruhigend zu wissen, dass Unterstützung schnell und unkompliziert verfügbar ist, wenn man sie braucht.
Ich freue mich, wenn mein Beitrag dazu beiträgt, das Bewusstsein für solche Angebote zu stärken.
Danke für dein Interesse und liebe Grüße
Stephan
Hallo Stephan, überhaupt, die Tatsache, dass Du es geschafft hast, in ein BFW zu gehen und dann noch er Fakt, dass du jetzt komplett im Berufsleben stehst, zeigt, dass Du deine unerwarte Situation angenommen, bzw. akzeptiert hast. Das ist stark, und war mit Sicherheit nicht immer einfach. Weiter so. VG Gaby
Hallo Gaby,
vielen lieben Dank für deine herzlichen Worte und deine Unterstützung!
Es bedeutet mir viel, dass du meine Erfahrungen so positiv wertschätzt.
Es stimmt, dass der Weg nicht immer einfach war, aber mit Mut, Durchhaltevermögen und Unterstützung konnte ich meine Situation annehmen und neue Wege gehen.
Deine Ermutigung motiviert mich, weiterhin nach vorne zu schauen und das Beste aus meiner Situation zu machen.
Ich wünsche dir alles Gute und nochmals vielen Dank für deine netten Worte!
Liebe Grüße
Stephan
Lieber Stephan,

dein Beitrag über deine Zeit im Berufsförderungswerk Würzburg ist unglaublich inspirierend! Es ist beeindruckend zu lesen, wie du nach deinem Unfall nicht nur die Herausforderungen angenommen hast, sondern auch aktiv nach neuen Möglichkeiten gesucht hast. Die Entscheidung, im BFW zu wohnen und die Gemeinschaft dort zu erleben, scheint dir nicht nur bei deiner beruflichen Neuorientierung geholfen zu haben, sondern auch wertvolle Freundschaften und Unterstützung zu bieten. Besonders berührend finde ich deine Erfahrungen mit der blindentechnischen Grundrehabilitation und wie du durch das Erlernen der Brailleschrift und den Umgang mit Hilfsmitteln wieder Kontrolle über dein Leben gewonnen hast. Deine positive Einstellung und der Wille, trotz aller Widrigkeiten einen wertvollen Beitrag zu leisten, sind wirklich bewundernswert.

Liebe Grüße
Mo
Liebe Mo, wow, dein Kommentar hat mich wirklich berührt,
Vielen Dank dafür!
Es freut mich sehr, dass du meinen Beitrag so inspirierend findest.
Der Weg nach meinem Unfall war sicherlich eine große Herausforderung, aber gerade das BFW Würzburg hat mir gezeigt, dass es immer neue Möglichkeiten gibt, auch wenn sich das Leben plötzlich komplett verändert.
Die Entscheidung, dort zu wohnen, war definitiv eine der besten, denn neben der beruflichen Neuorientierung hat mir vor allem die Gemeinschaft viel Kraft gegeben.
Der Austausch mit anderen, die ähnliche Herausforderungen meistern, war unglaublich wertvoll und ja, es sind Freundschaften fürs Leben entstanden.
Die blindentechnische Grundrehabilitation war ein absoluter Wendepunkt für mich.
Sie hat mir nicht nur praktische Fähigkeiten vermittelt, sondern auch das Vertrauen, mein Leben wieder aktiv zu gestalten.
Dass meine Geschichte dich berührt, bedeutet mir wirklich viel.
Danke nochmal für deine Worte und liebe Grüße zurück!
Stephan
Ich bewundere dich! Ganz ehrlich! Ich weiß nicht, ob ich diesen krassen Einschnitt ins junge Leben so gemeistert hätte! Aber du klingst trotzdem so lebensfroh und positiv! Schön, dass das BFW da helfen und dir die Kontrolle über dein Leben wiedergeben konnte! Ich nehme an, dass zwischenzeitlich noch viele andere Menschen von der Hilfe dort profitieren konnten! Richtig klasse!

Liebe Grüße
Jana
Liebe Jana,
vielen Dank für deine netten Worte!
Dein Kommentar bedeutet mir wirklich viel.
Es stimmt, der Einschnitt war enorm und es war kein leichter Weg, aber genau deshalb bin ich so dankbar für die Unterstützung, die ich im BFW Würzburg erhalten habe.
Dort habe ich nicht nur neue Fähigkeiten erlernt, sondern auch viel über mich selbst und über das Leben an sich.
Und ja, das BFW hilft auch heute noch vielen Menschen dabei, wieder ihren Platz im Berufsleben zu finden.
Es ist schön zu wissen, dass es solche Einrichtungen gibt, die wirklich etwas bewegen können.
Danke für deine wertschätzenden Worte und liebe Grüße zurück!
Stephan
Lieber Stephan,

ein wirklich interessanter Einblick! Es ist beeindruckend, wie das BFW Würzburg Menschen dabei unterstützt, neue berufliche Wege zu gehen. Danke, dass du deine Erfahrungen teilst – das macht das Thema greifbarer und zeigt, wie wertvoll solche Einrichtungen sind.

Ich wünsche dir einen schönen Tag!

Liebe Grüße
Saskia Katharina
Liebe Elke,
vielen Dank für dein Feedback!
Es freut mich sehr, wenn meine Erfahrungen andere motivieren und ermutigen können.
LG
StephanLiebe Saskia Katharina,
vielen Dank für deine netten Worte!
Es freut mich sehr, dass mein Erfahrungsbericht dir einen guten Einblick geben konnte.
Das BFW Würzburg hat für mich tatsächlich eine wichtige Rolle gespielt und ich finde es schön, wenn solche Einrichtungen mehr Aufmerksamkeit bekommen.
Ich wünsche dir ebenfalls einen schönen Tag!

LG
Stephan
Lieber Stephan,
großartig geschrieben 👍
Du bist ein Motivator und Mutmacher 👏
Danke, dass Du Deine Erfahrungen teilst.
Wie schön, dass es so positive Menschen wie Dich gibt 😁
Weiter so 👏
Liebe Elke,
vielen Dank für dein Feedback!
Es freut mich sehr, wenn meine Erfahrungen andere motivieren und ermutigen können.
LG
Stephan
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