In vorherigen Artikeln hatte ich von den ersten Monaten und dem ersten Jahr mit Alma berichtet. Heute möchte ich einen eigenen Artikel dem neuartigen Führgeschirr widmen, welches ich seit jeher mit Alma nutze. Da ich weiß, dass viele von euch noch nie etwas von einem Führgeschirr gehört haben, möchte ich versuchen in wenigen Worten zu erklären worum es sich hierbei eigentlich handelt.
Was ist ein Führgeschirr?
Vor etwa 100 Jahren wurde das erste Führgeschirr für Blindenführhunde entwickelt. Wie der Name bereits vermuten läßt, ermöglicht dieses dem Blinden gut wahrnehmen zu können, wohin der Blindenführhund seinen Halter führen möchte. Es wurde damit möglich das Hunde Blinde zuverläßig führen und Blindenführhunde wurden zu einem zuverläßigen Partner blinder Menschen.
Ein Führgeschirr besteht aus einer am Hundekörper anliegenden Weste, dem Geschirr, sowie dem davon abgehenden Griff, dem Führbügel. Das Geschirr liegt eng aber bequem am Oberkörper des Hundes an und bildet über den Führbügel eine gute Verbindung zum Halter. Über das Führgeschirr können nicht nur Richtungswechsel und Geschwindigkeitswechsel wahrgenommen werden, sondern auch Stufen und zu umlaufende Hindernisse. Wer mehr darüber erfahren möchte was Blindenführhunde im Rahmen ihrer Ausbildung alles erlernen, um ihre blinden Halter sicher zu ihrem Ziel zu führen, kann einfach Almas Vorstellungsbeitrag lesen.
Bis vor wenigen Jahren hat sich an dem grundsätzlichen Aufbau des Führgeschirrs nicht viel verändert. Mit Denny hatte ich ein Führgeschirr, welches dem ursprünglichen Funktionsprinzip bis auf das Gewicht sehr nahe kommt.
Eine neue Führgeschirr-Technik in der Erprobung
Der klassische Aufbau ist jedoch nicht perfekt. Bei Denny zeigte sich dies im Alter. Er hatte Muskelverspannungen, Reizungen oder gar Entzündungen in den Gelenken. In Folge dessen machte er Ausweichbewegungen und wurde zunehmend Trittunsicher. Meist konnte ich diese bei ihm durch einfache Massagen oder längere Pausen von der Führarbeit beseitigen, doch diese Probleme sollte Alma nicht bekommen.
Als Alma in die Ausbildung ging, besprach ich das Thema mit ihren Trainern. Zu meiner Freude hatten sie diese Probleme auch bereits erkannt und zeigten mir das Führgeschirr UniFly vom amerikanischen Unternehmen Ruffwear. Ein Blindenführhund muss täglich mehrere Stunden mit dem Führgeschirr laufen und sicher führen. Bei der Produktentwicklung mussten die besonderen Bedürfnisse von Halter und Hund gleichermaßen beachtet werden. Ruffwear arbeitete dazu mit der amerikanischen Blindenführhundeschule "Guiding Eyes for the Blind" zusammen.
Prinzipiell muss das Geschirr bequem aber auch funktionell sein. Das am Körper anliegende Geschirr und der Führbügel müssen auf die Größe und Vorlieben von Hund und Halter einstellbar sein. Harte Elemente, Schnallen und ähnliches müssen gepolstert werden um Druckstellen zu verhindern. Zu guter letzt ist es sehr wichtig, dass bei der Konstruktion des Geschirrs darauf geachtet wurde, dass dieses genügend Schulterblatt- und Schultergelenksfreiheit bietet.
Die große offensichtliche Besonderheit des Führgeschirrs UniFly ist der "Führbügel". Normalerweise ist der Bügel beidseitig hinter den Schulterblättern befestigt und bildet in einer U-Form den Griff für den Halter. Ruffwear setzt bei der Neuentwicklung auf einen einzelnen Stab, welcher mittig auf der Oberseite des Geschirrs befestigt ist. Durch ein Klicksystem ist dieser abnehmbar, sowienach unten und oben beweglich. Der Hund erfährt durch den Stab anders bei dem klassichen Bügel keine Einschränkungen in seinem Bewegungsablauf und kann so nicht unabsichtlich in eine bestimmte Richtung gedrängt werden.
Der UniFly Führbügel hat drei Einstellpunkte: Die Länge, die Handdrehung, sowie der Versatzwinkel. Die ersten beiden Punkte werden über einen einfach zu bedienenden Hebel ermöglicht, für letzteres ist der beiliegende Imbus Schraubendreher erforderlich. Um beim Einstellen der Länge und Handposition nicht jedesmal lange probieren zu müssen wurden sehr hilfreiche taktile Referenzpunkte angebracht, dank der diese sehr schnell gefunden werden können. Der Versatzwinkel ist eine sehr coole Möglichkeit. Dank ihr ist es mir möglich den Fühbügel schräg zur Laufrichtung Almas zu positionieren. So trete ich Alma nicht versehentlich in die Pfoten, während ich gleichzeit eine entspannte Haltung bewahre. Auch wurde bei der Materialwahl für den Griff sehr darauf geachtet dass dieses Allwetter-fähig ist, was bedeutet dass dieser immer angenehm in der Hand liegt.
Ein weiterer Vorteil, welcher durch den Stab begünstigt wurde ist, dass der Ruffwear Führbügel über einen frei justierbaren Griff verfügt. Dieser ist insbesondere drehbar, was eine natürliche ergonomische Handhaltung ermöglicht. Die erzwungene waagerechte Haltung am U-Bügel scheint dagegen sofort unbequem.
Da man den Bauchgurt des Geschirrs mit zwei Steckschnallen öffnen kann, ist das UniFly Führgeschirr super simpel an- und auszuziehen: Einfach über den Kopf ziehen und anschließend den Bauchgurt schließen. Es ist so aufgebaut, dass es sich dem Körper des Hundes ergonomisch anpasst. Hierdurch soll eine optimale Zugverteilung entstehen, die weiterhin die Bewegungen des Blindenführhunds an den Halter weiterleitet, während Reaktionen von beiden sehr gut aufgenommen und ausgetauscht werden können. Der schaumstoffgepolsterte Gurt bietet einen bequemen Tragekomfort, so dass das Führgeschirr nicht an den Achseln reibt oder wärend längeren Touren unangenehm aufliegt. Für bessere Sichtbarkeit im Hellen und Dunkeln wird es komplett mit reflektierenden Streifen produziert. Der Halsbereich reflektiert bei diesem Hundegeschirr die Lichtstrahlen von vorbeifahrenden Autos.
Nachdem ich das Führgeschirr einmal mit Denny getestet hatte und feststellen konnte dass alle Kritikpunkte meines Führgeschirrs beseitigt waren, stand fest dass Alma so eins bekommen soll.
Die wichtigsten Fakten im Überblick
Art | Führgeschirr |
Material | Cordura Nylon |
Verschluss | Schnallen |
Gewicht | 600 Gramm |
Größeverstellbar | JA |
Polsterung | ja |
Reflektoren | ja |
Haltegriff | ja |
Waschmaschine | Kaltwasser |
Gibt es das Modell in verschiedenen Farben?
Das Führgeschirr gibt es in Metolius Blue, Twilight Gray oder Firefly Yellow.Eignet sich das Geschirr auch für Hunde unterschiedlichster Größe?
Das Führgeschirr gibt es in den üblichen Größen für die verschiedenen Hunderassen.Verfügt das Geschirr über eine Beleuchtung?
Nicht von Haus aus. Aus Sicherheitsgründen empfehle ich das Führgeschirr mit einem Signallicht auszustatten. Ruffwear bietet in seinem Sortiment das Sicherheitslicht Beacon, beziehungsweise die Variante Audible Beacon mit Signaltönen zur eindeutigen blinden Bedienung. Diesen bringt man am Führbügel oder z.B am Blindenlangstock an. Die mitgelieferte Silikon Halterung ist gut durchdacht, allerdings nur umständlich am UniFly Führbügel anzubringen. Womöglich ist sehende Hilfe erforderlich.Meine Kritik
Ruffware bietet das UniFly aktuell nicht in der für Blindenführhunde in Deutschland durch die StVO vorgeschriebenen Farbe Weiß an. Das Geschirr darf daher streng gesehen im deutschen Straßenverkehr nicht verwendet werden. Ich wünsche mir, dass der Hersteller schon bald für den deutschen Markt nachbessert. Ich hatte das Glück einen Sattler im Bekanntenkreis zu haben. Dieser hat die Hauptfläche des Führgeschirrs mit weißem Leder bezogen und mit dem Blindenführhund Logo versehen. Mit dem Ergebnis bin ich mehr als zufrieden, aber nur die wenigsten potentiellen Kunden in Deutschland werden diese Möglichkeit haben.
Leider ist das Führgeschirr nicht frei im Handel erhältlich, sondern ist nur über Führhundschulen beziebar, welche Mitglied im IGDF (International Guide Dog Federation) sind. Im freundlichen direkten Gespräch mit der Verkaufsabteilung des Unternehmens wurde mir dies bestätigt. Somit müsstet ihr euch auf die Suche nach einer entsprechenden Führhundeschule machen.
Bilanz nach einem Jahr
Wer nach einem Führgeschirr mit einer tollen Passform sucht, dass den Bewegungsapparat nicht einschränkt und gut verstellbar ist, ist mit dem UniFly sehr gut beraten. Dazu ist das Führgeschirr von Ruffware gut verarbeitet und in meinem Fall sind die Abnutzungserscheinungen bisher sehr gering. Das gepolsterte Geschirr ist im Hals- und Brustbereich individuell einstellbar. Nach ausgiebiger Nutzung kann das Geschirr auch mal dreckig sein. Es darf dann gern mit kaltem Wasser in die Waschmaschine. Der Hersteller empfiehlt das Geschirr im mitgeliferten Wäschesack mit geschlossenen Schnallen, geringen Schleudertouren (800 Umdrehungen), geringer Trommelfüllung und mit Feinwaschmittel zu waschen, um das Material nicht zu schädigen. Für den Trockner ist das Produkt nicht geeignet. Die Passform ist toll, das Geschirr verrutscht nicht und lässt Alma die nötige Bewegungsfreiheit, um problemlos schneller Laufen und Ampeln etc. durch anspringen anzeigen zu können. Die Schulter bleibt frei und man erkennt gut, dass Alma sich uneingeschränkt bewegen kann. Alma trägt das Geschirr gerne, sie fühlt sich sichtlich wohl damit. Es ist wirklich sehr einfach anzulegen und auszuziehen, beides geht ganz schnell und ohne Aufwand. Auch Spaziergänge im Regen, Schnee oder Dreck kann dem UniFly nichts anhaben. Ist es zu schmutzig, wandert es einfach in die Waschmaschine. Die hochwertige Qualität überzeugt mich. Auch nach über einem Jahr täglicher Nutzung ist das Geschirr in top Zustand. In diesem Jahr haben wir zahlreiche Ausflüge in matschiges oder sandiges Terrain bei jedem Wetter gemacht. Alles hat das Geschirr ohne weiteres weggesteckt, weder das Gurtmaterial noch die Schnallen verschleißen durch die Umweltstrapazen.
Fazit
Ich bin von dem Führgeschirr nach nun über einem Jahr noch immer sehr begeistert und kann es nur jedem weiterempfehlen.